GUVH LUKN Logo

ALLES NUR THEATER? – Präventives Handeln lohnt sich?!

Lohnt sich präventives Handeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit auch im Theater?
Oder wird dadurch die Freiheit von Kunst nach
Artikel 5 Grundgesetz eingeschränkt?

Die kreative Arbeit im Theater lässt oft keine Lösungen „von der Stange" zu.
Daher ist die Umsetzbarkeit von Vorschriften und Regeln zur
Prävention oftmals mit großen
Herausforderungen verbunden.


Hier scheint ein mit allen Beteiligten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung abgestimmtes
präventives Handeln, welches
auch Vorgaben der Unfallversicherungsträger und des Staates
berücksichtigt, notwendig.

 

 

__________________________________________________________________________________________________________

 

 

Im Rahmen dieses Monatsthemas haben wir drei Beteiligte aus unterschiedlichen Gewerken,
Technik, Kunst, Verwaltung, die zusammen „Theater machen"  und Verantwortung als
Führungskräfte für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Theater haben, gefragt:

 

 

Frau Anette Kirchner - Technische Direktorin des Theaters Lüneburg

Das sich Prävention von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit aus Sicht der Unfallversicherungsträger lohnt, ist klar! Finden Sie das auch oder ist diese Prävention für das Theater eher hinderlich?
Wo unterstützt Sie Prävention zu Sicherheit und Gesundheit bei Ihrer Arbeit?

Das Theater, insbesondere das Geschehen auf der Bühne, lebt davon, Illusionen zu erzeugen. Für die Darsteller:innen auf der Bühne ist es notwendig, sich in andere Welten und Personen hineinzuversetzen, sich in die Rolle fallen zu lassen und die eigene Realität ein Stück zur Seite zu drängen. Alle technischen und bühnennahen Gewerke unterstützen in diesem Prozess, der schlichtweg unmöglich wäre, wenn die körperliche und seelische Unversehrtheit der Beteiligten nicht gewährleistet wäre. Die Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind somit eine Voraussetzung und fester Bestandteil der Arbeit am Theater und auf der Bühne. Das ist im Übrigen auch in anderen Branchen so: Kein Imker würde auf die Idee kommen, ohne Schutz den Honig zu holen, kein Hufschmied ein nicht angebundenes Pferd zu beschlagen und kein Arzt den Fußpilz ohne Handschuhe zu behandeln. Auch für die Mitarbeiter:innen in den technischen und bühnennahen Gewerken, die in der Rolle des Dienstleisters für das Bühnengeschehen fungieren, geben die Maßnahmen im Arbeitsschutz Sicherheit in der Durchführung der Vorstellungen, die in jeder Produktion auch unter nicht optimalen Arbeitsbedingungen neue und funktionierende Lösungen erfordern. Aus anderen Branchen bekannte Standardlösungen bedürfen im Bühnenbetrieb der Modifizierung. Für das Publikum scheinbar gefährliche oder waghalsige Darstellungen werden so durch viele im Hintergrund besonnen agierende Personen möglich und die Illusion wird perfekt – hierfür sind die Instrumente des Arbeitsschutzes, insbesondere die Gefährdungsbeurteilung unerlässlich.

Die zur Verfügung gestellten Handlungshilfen und Informationen sind in vielen Bereichen hilfreich. Entscheidend für einen lebendigen Arbeitsschutz ist es jedoch, die Schriften als das zu sehen, was sie sind, nämlich Empfehlungen und Anregungen. Im eigenen Arbeitsalltag ist es wichtig, für das Haus und die jeweilige Produktion passende Lösungen zu finden. Auch die Vorschläge zur Dokumentation der Maßnahmen erfordern eine individuelle Anpassung. Wenn diese Anpassung nicht erfolgt, wird ein Bürokratiemonster erschaffen, das die Kreativität erstickt und den Künstler:innen die Luft zum Atmen nimmt. Das Ziel einer Gefährdungsbeurteilung ist es, geeignete und sinnvolle Maßnahmen zu dokumentieren, die den Darsteller:innen den oben beschriebenen sicheren Rahmen geben, in dem sie agieren können. Ein prall gefüllter Aktenordner mit normgerecht beschriebenen Formblättern hingegen schafft keine Sicherheit und hat auch keine Auswirkung auf die Qualität der Darbietung.

Frau Sonja Anders - Intendantin des Staatsschauspiels Hannover


Das sich Prävention von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit aus Sicht der Unfallversicherungsträger auch bei der Arbeit im Theater lohnt, ist klar! Finden Sie das auch oder ist diese Prävention für das Theater eher hinderlich?

Jede Investition in Sicherheit und Gesundheit lohnt sich – denn nichts wäre schlimmer als Verletzun-gen auf oder hinter der Bühne. Zum Glück kommen Bühnenunfälle nur sehr selten vor, was ein Beleg dafür ist, dass die geltenden Regelungen und Maßnahmen wirkungsvoll sind. Wir geben der Kunst auf der Bühne alle Möglichkeiten zur freien Entfaltung – aber diese Freiheit endet dort, wo die Sicherheit von Menschen gefährdet ist. Alle Menschen, die am Theater arbeiten, haben diese Regel im Bewusstsein, auch die Kunst, und das ist auch gut so.

Wo unterstützt Sie Prävention zu Sicherheit und Gesundheit bei Ihrer Arbeit?

Es gibt regelmäßige Sicherheitsunterweisungen durch unsere Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Brandschutzbeauftragte. Unsere Bühnentechnik prüft alle Aufbauten auf technische und statische Sicherheit – vor jeder Vorstellung. Schauspieler:innen stehen auf der Bühne mitunter so unter Adrenalin, dass die Spielvorgänge weitgehend risikoarm konzipiert sein müssen. Falls eine Spielerin statt links versehentlich nach rechts abgeht, darf dort keine Grube lauern: Auch jeder Fehltritt muss mit einkalkuliert werden.

 

Frau Sandra Hinz -Verwaltungsdirektorin des Deutschen Theaters Göttingen

Das sich Prävention von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit aus Sicht der Unfallversicherungsträger lohnt, ist klar! Finden Sie das auch oder ist diese Prävention für das Theater eher hinderlich?

Das Theater ist ein spannender und mit Spannung geladener Arbeitsplatz: auf engem Bühnenraum treffen Technik und Spiel, Kreativität und Perfektionismus zusammen – alle Beschäftigen wollen den Zuschauern den perfekten Moment bieten. Das bedeutet oft Druck und immer das Zusammentreffen verschiedenster Arbeitsbereiche. Prävention erlaubt uns, diese Situationen im Vorfeld in Ruhe von allen Seiten zu betrachten, Maßnahmen abzustimmen und alle Beteiligten zu sensibilisieren. Damit am Ende die Gedanken ganz auf den perfekten Moment gerichtet sein können.

Wo unterstützt Sie Prävention zu Sicherheit und Gesundheit bei Ihrer Arbeit?

Prävention zu Sicherheit und Gesundheit bietet Hilfestellung bei der Planung von Arbeitsabläufen, Durchführung der Projekte – auf und neben der Bühne aber auch bei der dauerhaften Schulung der Beschäftigten. Die spezifischen Anforderungen der unterschiedlichsten Unternehmen werden betrachtet und durch Hilfsmittel wie Beratung und Schulungen unterstützt sowie mit verständlichen Materialen begleitet.

 

Frau Kirchner, Frau Anders und Frau Hinz kommen aus ihrer, doch unterschiedlichen Sicht zu dem Schluss, dass sich präventives Handeln lohnt und alle Beteiligten im Theater unterstützt. Eine körperliche und seelische Unversehrtheit der Beteiligten kann durch präventives Handeln gewährleistet werden. So kann „am Ende den Zuschauern der perfekte Moment geboten werden".

Dieses, mit allen Beteiligten durch die Gefährdungsbeurteilung abgestimmte präventive Handeln, gewährleistet zudem, dass Vorschriften und Regeln zugeschnitten auf die jeweilige kreative Situation im Theater umgesetzt werden. So können im Theater Szenen verwirklicht werden, die mit zusätzlichen präventiven Maßnahmen das allgemeine tolerable Risiko bei der Arbeit überschreiten. Beispielhaft sei hier die Verwendung hochkomplexer Arbeitsmittel zum szenischen Bewegen von Personen genannt.

____________________________________________________________________________________________________________________________________________

Am 13.07.2022 führen wir zu diesem Thema ein Online Symposium durch. Hier wollen wir anhand der Fragen und Antworten das Thema vertiefen und versuchen mögliche weitere Fragen zu beantworten.
Damit ist das Online Symposium nicht nur für Akteure aus den Theatern interessant. Auch die, die nur am Rande mit Veranstaltungen zu tun haben oder einfach nur an dem Thema interessiert sind, sind herzlich eingeladen, teil zu nehmen.
Vielleicht ergeben sich für die Eine oder den Anderen Anregungen und Möglichkeiten, das Thema Präventives Handeln im eigenen Betrieb stärker zu verankern:

Onlinesymposium, Mittwoch, 13.07.2022, 10.00 Uhr (Dauer ca. 2 Stunden)

>>> Zur Anmeldung

___________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________