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Interview mit der Geschäftsführung - 5 Jahre Modellschule und 15 Jahre Aktion "Sicherer Schulweg"

26. September 2022

© GUVH

Am 23.09.2022 trafen sich die Hannoversche Allgemeine Zeitung und der Geschäftsführer des Gemeinde-Unfallversicherungsverbandes und der Landesunfallkasse Niedersachsen, Herr Roland Tunsch an der Albert-Schweitzer-Schule in Hannover. Anlass war das 5-jährige Bestehen der Modellschule an der Liepmannstr.  zur Verringerung der Gefahren vor Grundschulen. Im Rahmen eines Interviews wurden auch weitere Themen, wie beispielsweise die 15 jährige Teilnahme des GUVH an der Aktion "Sicherer Schulweg" aber auch das 50-jährige Bestehen der gesetzlichen Schülerunfallversicherung angesprochen.

 

 

 

Zum Interview:

Herr Tunsch, vielen Dank, dass wir Sie heute zu dem besonderen Anlass an der Albert-Schweitzer-Schule interviewen dürfen.

Herr Tunsch, wie viele Schülerinnen und Schüler sind bei Ihnen versichert?

Sehr geehrter Herr Sedelies, ich begrüße Sie! Rund 1,19 Mio. Schülerinnen und Schüler waren im Jahr 2021 niedersachsenweit bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand automatisch versichert. Beim GUVH und der LUKN waren es rund 848.000 Schülerinnen und Schüler. (Angaben ohne Kinder in Kindertageseinrichtungen und Studenten)

Wieviel Schulwegunfälle im Grundschulbereich gab es im vergangenen Jahr in der Stadt Hannover?

Im vergangenen Jahr hatten wir in der Stadt Hannover 72 meldepflichtige Schulwegunfälle. Davon verunfallten 24 Kinder zu Fuß und 43 Kinder mit dem Fahrrad bzw. mit dem Roller.

Wie entwickelten sich die Unfallzahlen in Hannover in den letzten 10 Jahren?

Eine Tendenz für die Stadt Hannover ist leider nicht erkennbar. Die höchsten Unfallzahlen in den vergangenen zehn Jahren haben wir im Jahr 2011 (137) 2016 (152) und 2018 mit 142 Schulwegeunfällen zu verzeichnen. Auch wenn die Zahlen Corona bedingt in den letzten drei Jahren rückläufig waren, kann man es immer nur wiederholen - jeder Schulwege - und jeder Schulunfall ist einer zu viel. Vision Zero ist und bleibt daher unser Ziel.

In der Regel liegen die Schulwegeunfälle meist bei rund 10 % aller meldepflichtigen Versicherungsfälle. Doch Unfälle im Straßenverkehr sind oft weitaus folgenschwerer als solche im Schulbetrieb. Gerade deshalb ist neben einer vielfältigen Präventionsarbeit und einer gezielten Verkehrserziehung der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem umfassenden und zeitlich unbegrenzten Rehabilitationsauftrag besonders wichtig. Ich möchte in dem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur und von der Schule und schulischen Veranstaltungen gesetzlich unfallallversichert sind. Das gilt meist auch dann, wenn sie den direkten Heimweg unterbrechen, um einen Spiel- oder Fußballplatz zu besuchen. Die Rechtsprechung legt hier mit Blick auf alterstypische und gruppendynamische Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen bezüglich der Bewertung von geringfügigen Wegeunterbrechungen einen „großzügigeren Maßstab" an als bei erwachsenen Versicherten.

v.l.n.r.: Jan Sedelies, Hannoversche Allgemeine Zeitung; Roland Tunsch, Geschäftsführer GUVH/LUKN; Ayten Ciftci, Schulleitung der Albert-Schweitzer-Schule - Roland Tunsch an der Elternhaltestelle der Albert Schweitzer Schule - Fotos: ©GUVH

Wir stehen hier vor der Albert-Schweitzer-Schule – Warum ist diese Schule so besonders?

Vor fünf Jahren stand diese Schule als Modellprojekt zur Verringerung von Elterntaxis an Grundschulen im Mittelpunkt. Die Idee, die problematische Verkehrssituation zu verbessern, kam von der Polizeidirektion Hannover. Zusammen mit dem Arbeitskreis „Runder Tisch Kinderverkehrssicherheit" zu dem u.a. auch der Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover und die Landesunfallkasse Niedersachsen gehören, wurden Grundschulen in Hannover mit hohem Verkehrsaufkommen in den Fokus gestellt. Der Arbeitskreis entschied sich letztendlich dafür, die Albert-Schweitzer-Schule zum Modellprojekt zu machen. Dass diese Grundschule ausgewählt wurde, hatte auch mit der Besonderheit zu tun, dass die Schule außerhalb ihres Grundschuleinzugsbereichs lag und somit schon damals für einige Familien vergleichsweise lange Wege zwischen Wohnort und Schule bestanden. Die Folge waren brenzlige Verkehrssituationen rund um die Albert-Schweitzer-Schule. Mit dem damaligen Modellprojekt wurde mit einem Bündel an Maßnahmen daran mitgewirkt, dass die Schule zu einem sicheren Ort wurde und die Gefahrenzonen mittlerweile der Vergangenheit angehören. Zu der erfolgreichen Umsetzung vor fünf Jahren gehörten neue Verkehrsregeln, eine neu eingerichtete Haltezone sowie eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Ich hoffe, wir konnten mit all den Maßnahmen dazu beitragen, dass diese Schule ein Stück weit sicherer geworden ist und sie weiterhin als Vorbild für Schulen dienen kann, die sich im Kampf gegen Elterntaxi ebenfalls einsetzten wollen.

Herr Tunsch im vergangenen Jahr feierte die gesetzliche Schülerunfallversicherung ihr 50-jähriges Bestehen.

Die Gründung der Schülerunfallversicherung am 01.04.1971 führte bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand zu maßgeblichen Veränderungen in der Ausdehnung des versicherten Personenkreises. Von da ab an standen Kinder und Jugendliche in Tagespflege, Kita, Schule und Hochschule unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auslöser war der Unfall einer niedersächsi-schen Schülerin im Rahmen des Sportunterrichts. Bei der Ausführung einer Turnübung am Hangelbogen riss dem Kind eine Sehne im rechten Arm. Trotz medizinischer Behandlung und einem siebenwöchigen Krankenhausaufenthalt hatte die Verletzung eine Versteifung des Handgelenks mit entsprechender Funktionsbeeinträchtigung für die Schülerin zur Folge. Mit der beim Bundesgerichtshof eingereichten Klage unterlagen die Eltern der Schülerin. Für die Karlsruher Richter gab es keine Gesetzesgrundlage, um eine Entschädigungsleistung zu regeln. Dieser Präzedenzfall führte in den Folgejahren zur Erarbeitung und zum Erlass des „Gesetzes über Unfallversicherung der Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten"

Herr Tunsch, warum unterstützen Sie die Aktion „Sicherer Schulweg"?

Herr Sedelies, wir unterstützen die Aktion Sicherer Schulweg nunmehr seit 15 Jahren. Unsere erste Teilnahme erfolgte im September 2007. Die Schülerwegeunfälle in den vergangenen Jahren belegen, dass die Verkehrserziehung im Elementarbereich weiterhin unablässig erforderlich ist. Rund ein Viertel aller Schülerwegeunfälle ereignen sich im Grundschulbereich. Mit dieser Veranstaltung und den Hinweisen zur Zurücklegung des Schulwegs in der Zeitung bietet die Hannoversche Allgemeine eine hervorragende Plattform der Verkehrserziehung. Allein durch die Berichterstattung in den Wochen vor dem Schulbeginn werden entscheidende Hilfestellungen für rund 15.000 Kinder und ihren Eltern in der Region gegeben. Die Aktion „Sicherer Schulweg" ist somit bestens dafür geeignet, Eltern und Kinder für das Thema „Verkehrssicherheit" zu sensibilisieren.

Ich möchte mich bei allen Beteiligten der diesjährigen Aktion und natürlich auch bei der Hannoverschen Allgemeine Zeitung bedanken. Nur gemeinsam können wir auch künftig erreichen, dass die Veranstaltung in dieser Größenordnung logistisch, organisatorisch und finanziell erfolgreich umgesetzt werden kann. Allerdings war die diesjährige Aktion „Sicherer Schulweg" auch meine letzte Teilnahme. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen allen bedanken, für die gemeinsame Zeit und die großartigen Veranstaltungen, die natürlich, das wissen wir beide auch immer von vielen verschiedenen Faktoren unter anderem aber auch dem Wetter abhängig waren.

Interview mit Herrn Tunsch -Fotos: ©GUVH

Herr Sedelies, wir lernen täglich vor allem im Arbeitsalltag neue Menschen kennen. Vor allem als Geschäftsführer haben Sie es immer wieder mit neuen Geschäftspartnern, Geschäftspartnerinnen, Dienstleistern, Dienstleisterinnen, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu tun und von vielen müssen wir uns auch nach einiger Zeit wieder verabschieden - aus den unterschiedlichsten Gründen: Jobwechsel, ein neuer Lebensabschnitt oder Umzug , ein Wechsel in den Diensleistungen aber auch im Falle eines wohlverdienten Ruhestands. Ich persönlich wünsche Ihnen und vor allem diesem Projekt, was nicht nur mir, da spreche ich glaube ich auch für uns beide, ans Herz gewachsen ist, eine weiterhin erfolgreiche Zukunft.

Vielen Dank Herr Tunsch. Bei dem Schulfest der HAZ am 28. August bewarben Sie die Ausstellung "Kinder fit für den Straßenverkehr". Was kann man sich darunter vorstellen?

Die Wanderausstellung "Kinder fit für den Straßenverkehr" zeigt an neun Haltestellen die wesentlichen Themen für einen sicheren Schulweg. Unter anderem spielen dabei die Bewegungsförderung, das erfolgreiche Projekt "Kleine Füße", die Nachteile des Elterntaxis, das Thema Ablenkung, das Einrichten von Hol- und Bringzonen sowie das Curriculum Mobilität eine wesentliche Rolle. An jeder Haltestelle erhält man umfassende Informationen zu den jeweiligen Themen. Hierzu können Schulen aber auch zusätzliche Informationen in Form von Flyern, Elternbriefen und Broschüren anfordern.

Welche Inhalte werden bei der Ausstellung im Einzelnen vermittelt?

Präsentiert werden unter anderem Anregungen und Informationen für den Weg zu Fuß zur Schule, warum ist es beispielsweise gut, wenn mein Kind zu Fuß zur Schule geht, oder welchen Einfluss hat Bewegung auf die Entwicklung meines Kindes. Ein Schwerpunkt der Schulanfangsaktion in diesem Jahr „Kleine Füße" ist die autofreie Grundschule. Auch zu diesem Thema können sich Eltern an unserem Infostand informieren und beraten lassen, auch zu der Frage, wo bekomme ich Unterstützung für die Einrichtung von Hol-und Bringzonen (hierzu können die Partner der Verkehrssicherheit im Einzelnen befragt werden, oftmals sind Einzellösungen zu prüfen) beraten und / oder welche Alternativen gibt es? (beispielsweise der Schulexpress- Bus auf Füßen, von einem dafür bestimmten Ausgangspunkt) Weitere Themenschwerpunkte der Ausstellung „Ist mein Kind fit fürs Radfahren?" oder das Schulportal der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung „Lernen und Gesundheit" mit den Inhalten zum Thema Verkehrserziehung/Mobilitätsbildung sind als Anregung für die Mobilitätserziehung von Kindern bestens geeignet. All diese Materialien dienen den Eltern als Ratgeber zur Schulwegplanung. Natürlich stehen diese Materialien nicht nur der Albert-Schweitzer-Schule zur Verfügung, sondern können von allen Grundschulen angefordert werden. Auch eine Wanderausstellung an den Grundschulen wäre denkbar, bei der sich Grundschulen die Roll Ups beispielsweise für Elternabende oder Verkehrssicherheitstage ausleihen können. Auch Daueraushänge an Schulen in Form von Plakaten sind möglich, wenn diese bei uns angefordert werden.

Herr Tunsch, was halten Sie von den Schulwegplänen?

Der Schulwegplan für Grundschulen richtet sich meist an die Eltern der Kinder, die neu eingeschult werden und thematisiert überwiegend Schulwege, die zu Fuß bewältigt werden. Ein neu erstellter Schulwegplan kann aber auch für alle übrigen Eltern interessant sein. Der Einzugsbereich der Schulwegkarte beträgt circa einen Kilometer (Radius) um den Schulstandort beziehungsweise deckt den Schulbezirk der Schule ab. Je nach Verkehrsmittelwahl der Kinder können im Schulwegplan Hol- und Bringverkehre der Eltern, das Radfahren oder die Schulbusnutzung thematisiert werden, wobei wir eine Nutzung des Fahrrades erst nach ablegen der Fahrradprüfung in der dritten oder vierten Klasse empfehlen.

Interview mit Herrn Tunsch - Fotos: ©GUVH

Herr Tunsch, was sollten die Erstklässler auf ihrem Weg zur Schule beachten?

Besonders Erstklässler sind den Umgang mit dem Straßenverkehr noch nicht gewohnt und vor allem mit Beginn der dunklen Jahreszeit besonders gefährdet. Kinder müssen daher auch bei schlechter Sicht und in der Dunkelheit auf dem Schulweg gut sichtbar sein. Ihre Eltern sollten darauf achten, dass vor allem Jacke und Hose der Kinder sowie der Ranzen großzügig mit Reflexmaterial ausgestattet sind. Das kann der Reflexstreifen auf dem Regenmantel sein, ein „Blinki" am Anorak, eine zusätzliche reflektierende Figur am Tornister oder eine Applikation auf dem Jackenärmel. Kinder, die zu dunkle Kleidung oder einen Ranzen ohne Reflexstreifen tragen, laufen Gefahr, von Autofahrern erst im letzten Augenblick oder gar zu spät erkannt zu werden.

Was würden Sie Eltern mit auf dem Weg geben, was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Herr Sedelies, am 27. August wurden in Niedersachsen rund 85.000 Schülerinnen und Schüler eingeschult. Viele von Ihnen werden den Schulweg ohne die Begleitung von Erwachsenen zurücklegen. Das angepasste und sichere Verhalten im Straßenverkehr stellt für sie eine große Herausforderung dar. Sie können Fahrzeuge oft nicht rechtzeitig erkennen, Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht korrekt einschätzen und reagieren langsamer als Erwachsene. Außerdem finden sich auf dem Schulweg viele Dinge, die interessanter sind als die Konzentration auf das Verkehrsgeschehen. Nicht vergessen sollte man, dass Kinder in unübersichtlichen oder ungewohnten Situationen verunsichert werden und ggf. aus Angst falsch und unüberlegt handeln. Aus meiner Sicht ist es daher auf jeden Fall sinnvoll, den Schulweg mit dem Kind zu üben, den Weg gegebenenfalls mehrfach abzulaufen und vor allem auf Gefahrenpunkte hinzuweisen. Zum Schulanfang reicht es allerdings nicht aus, nur die Kinder und Eltern fit für den Straßenverkehr zu machen. Alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind aufgefordert, besondere Vorsicht und Rücksichtnahme gegenüber Kindern walten zu lassen. Alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer werden daran erinnert, dass Kinder im Straßenverkehr Fehler machen. Wer mit dem fehlerhaften Verhalten von Kindern im Straßenverkehr rechnet, kann durch entsprechendes Fahrverhalten Unfälle vermeiden.

Herr Tunsch, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.